Design Sinking
24. April 2018
Design Thinking ist seit Jahren sehr populär wenn es darum geht, innovative und kreative Produkte / Services zu generieren. Die einzelnen Techniken und Methoden, die man im Rahmen eines entsprechenden Projekts anwendet, sind jetzt nicht neu, teilweise sogar seit Jahrzehnten etabliert wie z.B. Brainstorming. Doch deren geschickte Verbindung durch einen Prozess bzw. ein klar definiertes Phasenmodell, erleichtert die ganzheitliche Anwendung erheblich. Das Team hat nun stets einen Überblick, wo es gerade in der kreativen Entwicklungsarbeit steht, was das nächste Ziel ist und welche Techniken und Methoden dafür am besten geeignet sind.
Und wenn dann die Fürsprecher auch noch zu den kreativsten Köpfen des Silicon Valley gehören, dann scheint man vom heiligen Gral der Innovation nicht mehr weit entfernt zu sein. Kein Wunder also, dass Design Thinking Workshops, Trainings und Bücher gerade sehr nachgefragt sind.
Wer schon einmal ein solches Training besuchte, was sehr zu empfehlen ist, der kehrt meist zurück in seinen beruflichen Alltag, euphorisiert von der Dynamik und der Kreativität die Design Thinking auszeichnet, und ist bereit, das „nächste große Ding“ zu entwickeln. Ist auch nicht schwer, denn es gibt ja diesen leicht verständlichen Prozess und die Trainer raten auch stets, „just follow the process and let creativity happen„.
Wenn wir dann auch noch die Design Thinking Phasen über vergangene Innovationen legen wie z.B. das iPhone, Dropbox oder Trunki, dann wird auf einmal klar, dass es nicht die Genialität eines Einzelnen, sondern fokussierte Arbeit des Teams war, was den Erfolg brachte. Jetzt muss nur noch der Business Case stimmen, das notwendige Projektbudget zur Verfügung stehen und alle Stakeholder im Vorfeld abgeholt werden. Dann steht der Innovation nichts mehr im Wege. Dabei hilft uns der Prozess, denn der macht transparent, was wann zu tun ist. Und da das Budget für Weiterbildung noch nicht ausgeschöpft ist, alle Mann auf zum Design Thinking Training.
Leider hat die Sache im Alltag einen Haken.
Das Problem bei Design Thinking Projekten ist überraschenderweise, oder auch nicht, eben jener Prozess bzw. das Phasenmodell. Was helfen soll, den Überblick zu behalten, wir leider allzu oft als eine Art Gebrauchsanleitung verstanden, die es nur abzuarbeiten gilt, um am Ende ein möglichst innovatives Produkt zu haben. Und da wir es in der Vergangenheit perfektioniert haben, Prozesse zu messen, zu steuern und zu optimieren, können wir ja nun auch Kreativität und Innovation messen, steuern und optimieren.
Aber hat jemand schon einmal darüber nachgedacht, wie viele unbedeutende bzw. nicht erfolgreiche Innovationen es in der Vergangenheit gab oder aktuell gibt? Vermutlich nicht. Zum einen verdrängen wir gerne Misserfolg aus unserem Leben. Zum anderen schaffen es die meisten Innovationen, insbesondere die bedeutungslosen, nicht einmal für wenige Minuten ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Ist es wirklich denkbar, dass die nicht erfolgreichen Innovatoren einfach noch nichts von Design Thinking wussten? Zur Erinnerung, der Workshop-, Trainings- und Büchermarkt zu dem Thema boomt seit Jahren.
Wer sich einmal eingehender mit Design Thinking beschäftigt, konkrete Anwendungsbeispiele recherchiert oder die Biographien der geistigen Väter studiert, der kommt sehr schnell zu der Erkenntnis, dass die kreativsten Lösungen nicht innerhalb weniger Wochen oder aufgrund eines flexiblen, bunten Projektraums entstanden sind. Es waren vielmehr Monate oder Jahre des Beobachtens und unzähliger Experimente, bis überhaupt einmal die Idee für ein konkretes Produkt entstand. Deren erste Versionen / Varianten waren dann auch oft Fehlschläge, von denen niemand, außer dem Projektteam selbst, Kenntnis nahm.
Das passt dann leider so gar nicht zu dem in vielen Unternehmen etablierten Vorgehen, welches Effizienz als Maßstab jeden Handelns sieht und Prozesse als ein Instrument zur Steuerung des Ergebnisses versteht. Erfolg wird dabei oft so definiert, dass die zuvor geplanten, budgetierten und konzipierten Ergebnisse auch geliefert werden. Aber bitte kreativ und innovativ.
Ein schönes Beispiel für die Schwierigkeiten im beruflichen Alltag ist die Phase „field research“ in Design Thinking. Hier geht es darum in die Lebenswelt der potenziellen Anwender einzutauchen und zu verstehen, welche Probleme sie haben. Achtung, es geht darum, dass Problem zu erkennen. Es geht nicht darum zu eruieren, ob die Idee die man da im Hinterkopf hat auch erfolgreich sein könnte. Ein gern gemachter Fehler zu Beginn. Wobei, vielleicht auch absichtlich. Kontakt zu anderen Menschen, sprich potenzielle Kunden suchen und besuchen, Gespräche führen, beobachten etc., ist oft aufwendig. Warum also Zeit und Geld mit dem Problem vergeuden, wenn man auch gleich zur Idee springen kann. Ist doch viel effizienter so. Und wenn dann noch dazu kommt, dass Kontakt zu Kunden nur unter Einbindung von Marketing, Vertrieb und Accountmanagement erlaubt ist, dann hilft auch ein leicht verständlicher Prozess nicht weiter.
Leider, oder zum Glück, gelingt es auch Design Thinking nicht, Kreativität und Innovation planbar zu machen oder zu optimieren. Es minimiert in keiner Weise die Arbeit die getan werden muss bzw. das Risiko des Scheiterns. Und schon gar nicht beschleunigt es den Produktentwicklungsprozess oder garantiert innovativere / kreativere Produkte.
Die Stärke von Design Thinking liegt darin, dass verständlich aufgezeigt wird, wie kreative Arbeit erfolgen kann, welche (Zwischen-)Ergebnisse man erarbeiten sollte und wie man bekannte Techniken und Methoden hierfür nutzen kann. Es hilft denjenigen, die ein Gefühl dafür haben, dass es ein relevantes Problem im Markt gibt, welches noch nicht adäquat gelöst wurde. Diese Personen bekommen ein Rahmenwerk zur Hand, um eine unspezifische Annahme näher zu erforschen, ein konkretes Problem daraus abzuleiten und potenzielle Lösungsansätze zu suchen.
Ein gutes Training zum Thema vermittelt neben dem fachlichen Wissen vor allem auch die Euphorie dafür, ungewöhnliche Fragen zu stellen, sich intensiver mit Menschen und ihren Problemen zu beschäftigen und vor allen den Mut zu haben, einfach mal nur dem Prozess zu folgen.